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Küste zu Küste

Heute unternehmen wir einen Ausflug. Mit dem Bus. Also dem Ausflugsbus. Denn es gäbe ja auch noch den Linienbus, aber damit kennen wir uns nicht so gut aus, und deshalb haben wir die Tour direkt bei TUI gebucht. Das geht relativ einfach, sei hier aber nicht das Thema.

Um 9:00 Uhr sollen wir direkt vor dem Hotel abgeholt werden. Dort steht auch schon 10 Minuten vor der Zeit – oder vielleicht länger, wir treten ja gerade erst vor die Tür – ein hellfroschgrüner Bus, allerdings ohne das für Tourbusse so typische Täfelchen hinter der Frontscheibe. Es wird also wohl nicht unser Bus sein. Aber es kommt auch kein anderer. Ob er für die TUI fährt, frage ich den wartenden Fahrer. Der schaut mich nur verständnislos an, also zeige ich ihm den Voucher. Er wirft einen Blick darauf und schüttelt den Kopf.

Fünf Minuten später tritt der Mann wieder auf mich zu und fragt, ob wir die Familie von Natascha seien. Nun ist es an mir, den Kopf zu schütteln. Und an ihm, mir etwas zu zeigen, denn offenbar ist er sich bei der Aussprache der deutschen Namen nicht so sicher. Und was sehe ich auf dieser Liste? Uns! Er hat uns auf seiner Liste. Warum nicht gleich so? Nun können wir endlich losfahren. Leider ohne Natascha, denn die stand samt Partner 50 Meter weiter unten an der Haltestelle des Linienbusses, wurde letztlich dann aber doch noch mitgenommen.

Zuerst einmal lernen wir die Hotellerie unseres Urlaubsortes und seiner Nachbarorte kennen, einschließlich der verwinkelten Einbahnstraßen, auf denen man sie anfahren kann. Hier ein wartendes Paar, dort ein Paar oder auch einmal zwei zugleich, nach einer Stunde sind wir immer noch in der Küstenregion, aber dann geht es endlich ins Inselinnere. Was für eine grandiose Landschaft aus Vulkankegeln, denen die Erosion bisher noch nicht allzu viel anhaben konnte.

Ob wohl noch ein Tourguide zusteigen wird? Immerhin stand ja das erste Ziel, das von einem gewissen Jesús Soto erbaute Anwesen „LagOmar”, bereits am Straßenrand angeschrieben. Große Erleichterung, als auf dem Parkplatz des LagOmar eine Dame namens Raquel zusteigt, uns in drei Sprachen begrüßt und zur geführten Besichtigung mit anschließender Gelegenheit zum freien Rundgang einlädt.

Das in eine Felsformation aus Lavatuff eingepaßte Anwesen wurde einst vom Schauspieler Omar Sharif erworben und gehörte ihm genau einen Tag lang, dann verlor er es im Spiel gegen einen ihm unbekannten Gegner, den er wohl massiv unterschätzt hatte: der vermeintliche Immobilienmakler war nämlich der amtierende Weltmeister im Bridge.

Die Zimmer dieses außergewöhnlichen Hauses sind in verschiedenen Höhen halb in die Felsen eingelassen und durch allerlei schmale und steile Treppen, teils im Inneren und teils frei, miteinander verbunden. Es gibt weiter oben ein Schlafzimmer und sogar ein Badezimmer, dazu allerlei Balkone und Nischen mit umlaufenden Sitzbänken aus Stein, und an zentraler Stelle einen Swimmingpool. Raquels spanische und französische Ausführungen sind uns zu langatmig, bis die englische Version an der Reihe ist, haben die anderen Teilnehmer längst ihren Vorsprung genutzt, und die ersten kommen die engen Treppen bereits wieder herunter. Folglich verzichten wir auf die Teilnahme an der Führung und halten uns an die deutschsprachigen Texte der Wandtafeln.

Die gute Raquel redet wie ein Wasserfall, muss sie doch auf der relativ kurzen Fahrt zum nächsten Etappenziel die dreifache Menge an Text unterbringen als bei einer einsprachig geführten Tour. Das schafft sie zwar recht gut, aber da dem englischen sofort wieder ein spanischer Text folgt und man erst am Ende der französischen Version wieder Verständliches vernimmt, liegt man akustisch beständig auf der Lauer: sind das jetzt spanische Wörter? Oder französische? Nein, es sind englische, also wieder zuhören!

Wir erreichen den „Jardin de Cactus”, also den Kaktusgarten. Das ist ein von Steilhängen und Mauern umgebenes Stück Land mit tausenden von Kakteen und Euphorbien aus allen Teilen der Welt, in den abenteuerlichsten Wuchsformen und gekrönt von einer Windmühle, in der sich dem Andrang zufolge irgend etwas Interessantes befinden muss, wahrscheinlich das Café.

Ermahnt, pünktlichst wieder am Bus zu sein, da wir ansonsten die Abfahrt des Schiffes versäumen könnten, tun wir wie geheißen, und so klappt das Ablegen samt nachfolgender Überfahrt auf die Insel La Graziosa wie am Schnürchen. Vorher amüsieren wir uns aber noch über ein ausgelassen grölendes und klatschendes Grüppchen von Jugendlichen: Leute, wenn Ihr Euch schon gegenseitig in Titanic-Pose, also mit ausgestreckten Armen am Schiffsbug stehend, fotografieren müßt, warum geduldet Ihr Euch dann nicht, bis im Hintergrund offenes Meer zu sehen ist anstelle der Hafenkneipe?

Der kleine Fischereihafen auf der Insel samt zugehörigem Ort La Caletta del Sebo hat nicht eine einzige befestigte Straße. Wozu auch, hier müssen ja ohnehin alle Autos geländetauglich sein, sonst nützen sie bestenfalls, um damit sonntags 500 Meter zur Kirche zu fahren. Ein durchaus bemerkenswerter Bau übrigens: der Altar ist ein Anker, das Altarbild ein Schiff, ein Steuerrad dient als Predigtpult, und zwei hölzerne Fische halten jeweils eine Kerze im Maul.

Gegen 14 Uhr erwartet uns ein Mittagessen, für das eigens ein zweites Schiff bereitgestellt wurde, mit Tischen anstelle der Sitzreihen. Serviert wird eine klassische Paella mit allerlei Getränken, die alle wild durcheinander zu konsumieren im Hinblick auf die bevorstehende Rückfahrt wenig ratsam erscheint. Dennoch versuchen wir es: zuerst ein Schluck Cava, also Sekt, dann Wein, dann wieder Cava, dann ein Stamperl mit leckerem Honigrum, dann ein zweites, nochmal Wein und zum Abschluss nochmal Rum, bis Schiff und Insel zu schwanken beginnen. Allein die Bierdosen packen wir weg, man will ja nicht trocken heimfahren.

Zurück auf dem Festland, also der größeren Insel, macht sich eine gewisse Schwere in den Beinen bemerkbar, aber zum Glück wartet ja in Órzola bereits der Bus.

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Zehn Schiffslängen

Da bucht man nun spontan einen Kurzurlaub auf einer relativ wenig frequentierten Kanareninsel, und dann stellt sich wenig später heraus, dass der beste Freund, ohne dass man davon etwas hätte ahnen können, ebenso spontan zu derselben Zeit dieselbe Insel gebucht hat. Aber es kommt noch besser: auf Nachfrage stellt sich heraus, dass sein Hotel gerade einmal drei Kilometer – oder, wie er es ausdrücken würde, 10 Schiffslängen – vom eigenen entfernt liegt. Wenn das kein Grund ist, eine kleine Wanderung entlang der Küste zu unternehmen und ihn dort zu besuchen.

Das Costa Calero Hotel, von wo „Captain Spareribs” seine „Reisen am Rande des Wahnsinns” bloggt, ist ein großzügig angelegtes Familienhotel mit viel Grün und zwei Pools, davon einer mit Staumauer, die das obere Becken vom unteren trennt. Der Foyerbereich gleicht mit seinen üppigen Grünpflanzen dem Tropenhaus eines botanischen Gartens, der Restaurantbereich wiederum erinnert mit seinen raumhohen Glasfronten eher an ein Aquarium. Wir suchen uns einen netten Platz im Bereich der Außenbar und reden bei einer Cervesa stundenlang angeregt über dieses und jenes, ehe wir uns am späten Nachmittag wieder zurück auf den Weg nach Playa del Carmen machen.

War es heute vormittag noch ein zwar langer und steiniger, dennoch aber recht angenehmer Spaziergang entlang des „Sendero Uno” Küstenweges, lacht nun die Sonne mehr als dem braven Wandersmann lieb sein kann vom strahlend blauen lanzarotinischen Himmel. Eine Sitzbank im Schatten eines Baumes wäre jetzt schön, und tatsächlich findet sich eine solche, aber erst, nachdem auch bereits das Ende des Weges auf Sichtweite herangekommen ist. Sei’s drum, das Bänklein liegt so malerisch unter einer bougainvilleabewachsenen Pergola, dass wir hier noch ein Weilchen verweilen, in Gesellschaft von zwei schwarzen Katzen, die uns erwartungsvoll anschauen und sich dann im Schatten des besagten Blütenstrauches niederlassen.

Plötzlich ein zweistimmiger Freudenschrei, denn aus einer Türe im Hintergrund ist soeben eine ältere Frau getreten, und die hat Futter. Und Wasser. Aus den zwei Tieren werden rasch vier, fünf und sechs, denn was will eine freilebende Mieze mehr als einmal am Tag eine katzengerechte Mahlzeit? Natürlich werden aber auch Streicheleinheiten und warme Worte gerne genommen. Deswegen also das freudige Interesse, als wir uns vorhin dem Platz näherten.

Unterhalb der Steilküste hat soeben der Wasserbus kurz vor der Hafeneinfahrt seine Fahrt unterbrochen. Warum das denn? Ist er etwa seinem Fahrplan voraus? Das Rätsel erschließt sich, als er nach einer Viertelstunde – man könnte die Zeit auch in Flugzeugen rechnen, die im Fünfminutenabstand drüben nach Arrecife einschweben – wieder Fahrt aufnimmt: es ist ein Glasbodenschiff. Wahrscheinlich gibt es an dieser Stelle allerlei Interessantes am Meeresgrund zu sehen.

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Eingewöhnen auf Lanzarote

Hier auf Lanzarote ist vieles anders als auf anderen Ferieninseln. Das fängt schon bei der Landschaft an, sie ist wie eine Mischung aus Spanien, Marokko und Schottland. Ersteres beruht vor allem auf den schmucken weiß gestrichenen Häusern inmitten einer kargen Vegetation, für den letzteren Eindruck sorgen Berge, Wolken und Wind. Was abends auf der Landseite zu sehen ist, sind aber gar keine Berge, sondern Wolken, die sich an die Konturen der Berge anschmiegen und dadurch wie Berge aussehen.

Anders ist aber auch die Aufmerksamkeit und Herzlichkeit des Personals. Im Hotelrestaurant werden wir zum Tisch nach Wahl geleitet und unsere Bestellung aufgenommen, denn die Gastronomie ist hier eine Mischung aus Bedienrestaurant und Büffet: wir durften für das Abendessen aus zwei Vorspeisen und vier Hauptgerichten wählen, die am Tisch serviert werden, für alles andere herrscht Selbstbedienung, jedoch ohne Drängeln und ohne wählerisches Herumtrödeln der Leute, die vor einem stehen, und ohne permanentes Gerenne nach vergessenen Besteckteilen, denn die werden passend gebracht. Wir bestellen zwei Gläser offenen lanzarotinischen Wein, und die Kellnerin kommt mit einer Flasche. Sie hat aber nicht etwa unsere Bestellung falsch aufgenommen, sondern es ist hier so üblich: Gläser aufstellen, den Probeschluck servieren, bei Zufriedenheit des Gastes die Gläser füllen wie bestellt und die Flasche wieder mitnehmen. Der Rosé war übrigens eine ausgezeichnete Wahl, und ebenso die Speisen. Und wer sagt, dass man nur ein einziges Hauptgericht bekommt? Die orientalischen Spaghetti waren zwar eigentlich als solches gedacht, aber wenn der Gast sie als Vorspeise wünscht, gerne.

Zum Frühstück wird einem hier im La Isla nicht nur jede nur denkbare Art von Kaffee an den Tisch serviert, sondern auf Wunsch auch das Omelett mit den gewünschten Zutaten. So ausgedehnt wie hier haben wir schon lange nicht mehr gefrühstückt, und zum Abschluss gönnen wir uns noch je ein Glas Prosecco aus dem dekorativen Sektkühler.

Und noch etwas ist anders als gewohnt: die Wasserhähne. Hier im La Isla gleichen sie dem Zulauf zu einem Wasserrad, d.h. das Wasser läuft ein Stück weit in einer offenen Rinne herab, beworben es sich an deren unterem Ende ins Waschbecken stürzt oder auf die Hände oder was auch immer. Da wir aber eines der obersten Zimmer bewohnen, mischt sich hin und wieder auch eine Luftblase ins Leitungswasser. In diesem Fall verwandelt sich der sanfte Wasserlauf dann in einen Geysir, und man kann, was man kurz vorher frisch angezogen hatte, zum Trocknen aufhängen und sich etwas Neues aus dem Schrank holen.

Draußen auf der Sonnenterrasse war es heute sehr angenehm und erholsam, denn das La Isla ist ein Erwachsenenhotel: kein ferienbegeistertes Herumgerenne, kein Geschrei und Gequiekse, wie es alle, die erst noch erwachsen werden wollen, bei der Berührung mit Wasser typischerweise absondern. Und zum Glück auch keine Leute, die gerne pausenlos mehr oder weniger witzig, vor allem aber viel lauter als notwendig daherquatschen oder mit durchdringendem Gelächter antworten. Keine Ballspiele am Pool oder auf der Wiese, denn der Pool ist sehr klein, und eine Wiese gibt es nicht. Nur gepolsterte Liegen, die man aber nicht herumschiebenderweise dem Sonnenstand nachrücken kann, und ebensolche Sonnenschirme. Mit einem Wort: wohltuende Ruhe, genau richtig, um nach Jahrzehnten wieder einmal Friedrich Dürrenmatts “Der Richter und sein Henker“ zu lesen.

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Dem Alltag entfliegen

Ein paar streßfreie Tage mit Meerblick, das wäre doch etwas für die Pfingstferien, dachten wir und buchten uns spontan nach Lanzarote ein, wo das Hotel „La Isla y el Mar Hotel Boutique” eine geräumige Suite mit eigener Terrasse samt seitlichem Meerblick angepriesen hatte. Für Familien sei das Haus aber völlig ungeeignet, hieß es in der Beschreibung. Und leider könne zur Zeit auch keine Animation angeboten werden. Umso besser, dachten wir.

Und so startete unsere Reise um die Mittagszeit des Vortages mit dem Online Check-in bei Condor. Früher, als es das noch nicht gab, begann eine Reise mit dem Schließen des Koffers, es war quasi der Vollzug des Zurücklassens aller materiellen Dinge, die nicht mit in diesem Koffer waren. Das Vorab-Einchecken fühlt sich ähnlich an: was noch zu tun ist, muss nun so überschaubar sein, dass es in diese 24 Stunden paßt wie die Habseligkeiten in einen zu schließenden Koffer.

Und da war noch so viel zu erledigen: Blumen wegbringen, Korrespondenzen abwickeln, Wohnung aufräumen, Geschirr spülen, Koffer packen, Verbindungen suchen, Wecker stellen, schlafen, geweckt werden, Kaffee kochen, Wohnung kontrollieren, Koffer zum Bus schleppen, dann zur U-Bahn, zum ICE, zur S-Bahn, zum Drop-off Schalter der Condor. Zuallererst aber eben: Website der Condor aufrufen, Buchungsnummer und Name eingeben, Sitzplatz wählen und … Moment, wieso steht da ein Preis? Die Fluggesellschaft will sich die Sitzplatzwahl mit 7,99€ bezahlen lassen. Alternativ bekäme man irgendwelche Plätze zugewiesen, hieß es. Aber Platz ist Platz, und die zugewiesenen sind letztlich auch nicht schlechter.

Da wir nicht zu den Reisenden gehören wollen, die in endlosen Warteschlangen stehend ihren Flug verpassen, brechen wir sehr zeitig auf. Prompt klappt alles wie am Schnürchen: beim Umsteigen, am Schalter und sogar am Security-Check. Aber lieber zwei Stunden zu früh im Gate als fünf Minuten zu spät.

Eigentlich sollte unser ICE vom Gleis 9 ablegen, aber dort stand schon ein ÖBB-Schlafwagenzug, der wohl selber eingeschlafen war. Und so starteten wir von Gleis 8 genau gegenüber. Welch ein Glück. Woher die bereits im Abteil befindlichen Reisenden wohl alle kamen? Sie mußten wohl schon die ganze Nacht unterwegs gewesen sein, denn alles schlief. Bis auf einen, und der sprach am Handy gerade über intimste Details seiner Probleme mit einer Hochzeit in „Gaahrmisch-Partenkiehrchen”, zu der er wider Willen anreisen müsse, weil seine Familie das so wollte. Wir und der nicht schlafende Teil der Mitreisenden erfuhren wirklich alles: dass die Hochzeit in Bayern so teuer sei, dass der Blumenschmuck in der Kirche dem ausladenden Format des Brautkleides Rechnung tragen müsse, dass „der Schrauber” sein Auto nicht rechtzeitig repariert habe und er nun diesen Zug habe nehmen müssen, dass seine Familie ihm deswegen Feuer mache, was er „nicht in Ohrdnung” finde, dass seine Mutter zu viel Geld in die Restaurierung halb zerfallener „Ente”-Oldtimer stecke, dass er jetzt einen Kaffee brauche … schon sah man ihn samt Telefon am Ohr verschwinden, und als er wiederkam, hatte er aufgelegt. Aber nur, um sogleich ein neues Gespräch zu beginnen mit einer anderen Person, die das alles noch nicht wußte: die Hochzeit, das Brautkleid, der teure Blumenschmuck, die Oldtimer-Leidenschaft seiner Mutter.

Schließlich und endlich treffen wir mit unseren Koffern am Flughafen ein. Wo ist der Drop-off-Schalter der Condor? Weit und breit kein Hinweis, also fragen wir die Dame am Info-Schalter. Die hält nur, genervt von immer derselben Frage, wortlos ein Schildchen hoch mit einem „D“ darauf. Denn auf die Idee, Wegweiser zu den Schaltern der Fluggesellschaften aufzustellen, ist hier offenbar noch keiner gekommen.

Sind wir schon über Frankreich? Noch nicht, sonst sähe man unten ja Menschen herumlaufen mit einem Baguette unter dem Arm. Aber da ist ein Fluß mit dunklem Wasser, der in einen anderen mit milchkaffeebraunem Wasser mündet, man kann die beiden Farben noch ein ganzes Stück weit flussabwärts verfolgen. Kurz darauf kommt Basel in Sicht. Aha, die beiden Flüsse waren Aare und Rhein. Eine Stunde später kommen Schneeberge in Sicht: die Pyrenäen. Dann eine Stunde lang eher unwirtliches Land, mit nur vereinzelten Feldern. Dann eineinhalb Stunden lang Wasser mit vereinzelten Schiffen. Dann zur Rechten eine Insel, aber mit mehr als zwei Bergen. Wir haben unser Ziel Lanzarote erreicht. Oder doch nicht? Das Land ist so schnell wieder verschwunden, wie es zuvor aufgetaucht war. Ach so, das Flugzeug hat die Richtung gewechselt und die Insel ist nunmehr links, denn wir müssen den Aeropuerto Cesar Manrique von Süden her anfliegen.

Der Transferbus fährt mehrere Ziele an. Am ersten Hotel steigen einige Gäste aus, am zweiten ebenfalls. Am dritten Stopp nur wir. Und das ist auch gut so, denn der Check-in dauert am „La Isla y el Mar” beträchtlich lange, da hätte man nicht anstehen mögen. Das Hotel besteht aus einzelnen Suiten mit je einer Terrasse, adrett über ein leicht geneigtes Gelände verteilt und mit vielen landestypische Pflanzen dazwischen: Kakteen, Palmen, Strelitzien und betörend duftenden Wachsblumen. Hier ist entspannen angesagt. Unsere Suite hat zwei Zimmer und zwei Fernseher. Aber nur ein Duschhandtuch und nur einen Bademantel: es fehlt die komplette zweite Garnitur, die das Zimmermädchen aber fix nachliefert.

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Übers Bokkeveld – Der Film

Mit dem roten Geländebus samt Hotelanhänger ging es hinauf zur Hochfläche nach Nieuwoudtville, wo trotz großer Trockenheit zahllose Blüten das Auge beglückten, und dann durch die Zedernberge (heute leider gänzlich ohne Zedern) wieder hinab.

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Cornwall – Der Film

Aus den mitgebrachten Videoclips ist nun ein Film geworden:

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Lange Umwege

Unsere Rückreise gleicht der Anreise vor fünf Tagen, nur eben in umgekehrter Reihenfolge und mit ein paar kleinen Änderungen: vom Hotel hinauf zur Metrostation, dann in Torassa aussteigen und über die insgesamt sechs Rolltreppen hinab ins Erdinnere fahren. Oder doch nicht? Eine der Treppen müssen wir wieder abziehen, denn die beiden Bahnsteige befinden sich übereinander. Unser Flug startet auch nicht vom Terminal 1, sondern von 2, beinahe wären wir zu weit gefahren.

Von der Metrostation führt eine lange, eine sehr lange Fußgängerbrücke hinüber ins Flughafengebäude, wo sich gleich zur Linken die Sicherheitskontrolle befindet. Wir schlängeln uns also durch die Wartereihen, immer hin und her, bis wir schließlich vor den Schleusen unsere Bordkarten vorweisen sollen. Bordkarten? Wir waren doch noch gar nicht am Schalter?! Die Schalter seien eine Etage tiefer, werden wir freundlich aufgeklärt. Und das bedeutet, den ganzen Weg wieder zurücklaufen, die Rolltreppe nehmen und im unteren Stockwerk unseren Schalter suchen. Natürlich befindet der sich ganz weit hinten, also praktisch direkt unter der Sicherheitsschleuse. Aber irgendwann ist man drin, und bis zum Abflug um 13.15 Uhr ist ja auch noch ein wenig Zeit.

Ob sich die Fensterplätze, diesmal vorne rechts, hinsichtlich eventueller Tiefblicke lohnen werden? Ein ganzes Stück weit bleibt der Himmel bedeckt, aber dann reißen die Wolken auf und geben den Blick frei auf Bergketten, die in den Höhenlagen bereits verschneit sind. Ein bezaubernder Anblick. Aber wo sind wir? Der Flugkapitän hatte von einer Strecke über Marseille, den Montblanc und Zürich gesprochen. Demnach müßte doch das Matterhorn…? Und richtig, da kommt es auch schon in Sicht. Von oben, wo es sich nicht gegen den Himmel abhebt, macht so ein Horn relativ wenig her, wirft aber einen eindrucksvollen Schatten. Wenig später überfliegen wir den Eiger und dann noch den Bodensee mit der Mainau, bevor sich die Wolkendecke wieder schließt.

Getränke oder gar einen Imbiß gab es auf diesen kurzen Strecken weder bei der Lufthansa, noch gibt es sie bei Eurowings. Und die Stewardessen sind alle gleich hübsch. Aber wo ist nun der Unterschied zwischen den Airlines? Bei der Zwischenlandung in Hamburg erfahren wir es: die Lufthansa setzt ihre Passagiere auf dem Vorfeld aus, von wo sie mit Bussen ins Flughafengebäude gefahren werden, was speziell in Frankfurt fast schon einer gesonderten Reise gleicht. Bei Eurowings hingegen wird man einfach nur ausgeladen. Ohne Bus. Bei strömendem Regen. Und kommt triefnass im Empfangsgebäude an, denn man hat ja im Flugzeug recht wenig Gelegenheit, sich für das Schietwetter zu rüsten.

Die letzte Reiseetappe ist dann nur noch ein Luftsprung von einer knappen Stunde, auf den wir vorher freilich drei Stunden warten mußten. Und der Nürnberger Flughafen ist im Vergleich mit den anderen, die wir in den letzten Tagen passiert haben, geradezu winzig. Willkommen in der Provinz! Man merkt es auch an den vorsintflutlichen Stempelautomaten in den öffentlichen Verkehrsmitteln, aber vielleicht sind wir einfach Barcelona-verwöhnt.

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Das Eisenhaus mit der Orgel

Der Textilunternehmersohn Eusebi Güell hat sich vom Meister Gaudí im Stadtteil El Raval ein Wohnhaus gestalten lassen, wie es wohl auf der Welt kein zweites gibt. Um es zu besichtigen, müssen wir den Bus H14 nehmen, erwischen aber versehentlich den bereits abfahrbereiten H16. Es heißt also am Arc de Triomf wieder aussteigen und sich eine neue Verbindung suchen. Die gibt es auch, in Gestalt der Buslinie 120. Aber wo das Navi die Haltestelle zeigt, ist keine. Und zur genannten Abfahrtszeit kommt auch kein Bus. Wie aber plant man aber eine Route, wenn einen das Navi immer wieder dorthin zurück schickt? Endlich finden wir eine Haltestelle der Buslinie, die wir von Anfang an hätten nehmen sollen. Viel Umweg für nichts.

Die Rambla ist die platanengesäumte Prachtstraße, die vom Hafen hinauf ins Stadtzentrum führt. Wir sind von zahlreichen Kreuzfahrt-Touristen in kurzen Hosen umgeben, und das bei unter 10 Grad Lufttemperatur. Hoffentlich wollen die nicht alle in den Palau Güell. Zwölf Euro soll der Eintritt kosten pro Person, zu unserer Überraschung will der Kassierer aber nur jeweils fünf von uns, warum auch immer.

Das Haus wirkt mit seinen vielen Eisengittern vor den Fenstern irgendwie abweisend, und diese Architektur setzt sich auch im Inneren fort, fast wie in einem Gefängnis. Aber ein Gefängnis hätte keine teppichbelegten Treppen, keine Marmorsäulen, keine geschnitzten Holzdecken und keine Wandgemälde, um nur einige Merkmale der Innenarchitektur aufzuzählen. An einigen Stellen treten zudem schwarz gestrichene Eisenträger zutage.

Plötzlich erfüllt wuchtige Orgelmusik den hohen Zentralraum. Eine Orgel in einem Wohnhaus? Oder ist die Wohnung etwa ins Innere einer Kirche gebaut? Nun, der Bauherr hat sich hier wohl einen etwas exzentrischen Wunsch erfüllen lassen. Es soll auch einen Altar gegeben haben, von dem aber nur die raumhohe, goldgeschmückte Nische übrig geblieben ist. Eine Fremdenführerin schreit gerade gegen die Orgel an: die einen verstehen nichts, den anderen trübt es den authentischen Klanggenuß. Und dann ist das Orgelstück auch schon wieder vorbei, in einer halben Stunde folgt das nächste. Bis dahin sind wir aber, vorbei am gefliesten Badezimmer mit ebenfalls gefliester Kloschüssel, schon ganz oben auf dem Dach angelangt, wo sich in der Mitte eine Art Pagode erhebt. Von ganz unten konnte man die kleinen Fenster darin als Sterne wahrnehmen.

Wieder draußen auf der Rambla, genehmigen wir uns je ein Foccaçia und dazu einen Cappuccino, ehe wir am Palau de la Música Catalana vorbei zum Hotel laufen, um den Nachmittag auf der Dachterrasse und im Park vor dem Hotel zu verbringen. Für den heutigen letzten Abend steht ein Opernbesuch in eben diesem Palau, der ebenfalls ein Werk von Gaudí ist, auf dem Programm: sie geben Rossinis „Barbier von Sevilla”. Aber nicht nur die Aufführung selbst ist interessant, sondern auch das Ambiente dazu, denn wann hat man schon die Gelegenheit, eine Oper in einem Jugendstilbau wie diesem zu erleben: kleinteilig-bunt verglaste Wände, mosaikverzierte Säulen, ein ornamentales Kunstwerk über dem Zuschauerraum. Und auch wenn die Übertitel auf katalanisch und damit für das Verständnis der Oper wenig hilfreich sind, agieren die Darsteller auf der Bühne doch so, dass man der Handlung gut folgen kann. Allein der stark nach Duschgel riechende Herr, der vor mir sitzt, neigt sich – wohl um mehr zu sehen – nach rechts wie der schiefe Turm von Pisa. Und ich muss es ihm zu meinem Leidwesen gleich tun.

Der Palau faßt zwar nicht übermäßig viele Zuschauer, aber doch so viele, dass sich an der Pausentheke und vor den Toiletten lange Schlangen bilden. Vielleicht gibt es auch einfach zu wenig Schankpersonal und zu wenige Toiletten, jedenfalls schaffen wir es nicht, vor dem zweiten Pausenton etwas zu ergattern. Und man will das edle Getränk ja auch nicht rasch zwischen Tür und Angel hinunter kippen, während sich auf der Bühne schon wieder das Orchester bereit macht. Deshalb verschieben wir den alkoholischen Genuß lieber auf die Hotelbar. Ob wir statt der bestellten zwei Sangrias lieber eine Flasche möchten, will der Kellner wissen. Ja, wollen wir. Als letzte Gäste an diesem Abend verlassen wir leicht schwankend die Bar. Morgen um diese Zeit werden wir schon wieder in Nürnberg sein.

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Inspiration Gaudí

Die Casa Batlló (das spricht sich Batt-joh, mit Betonung auf der zweiten Silbe) ist ein von Antoni Gaudí entworfenes Wohnhaus, das die typischen, dekorativ geschwungenen Linien und großflächigen floralen Ornamente kultiviert wie kein zweites. Das gilt für die Straßenfront, erst recht aber für das Innere des Gebäudes. Der Eintritt ist mit 39 Euro pro Person nicht gerade günstig, lohnt sich aber, denn man bekommt nicht nur eine eindrucksvolle Projektionsshow geboten, sondern es wird einem auch die beste Audioführung mit auf den Weg gegeben, die man sich nur vorstellen kann: die Texte und Klangbilder im Drahtlos-Kopfhörer aktivieren sich automatisch beim Betreten des jeweiligen Raumes, führen einen akustisch begleitet zuerst durch den mit bunten Glasfenstern geschmückten Raum für die Empfänge, dann durch weitere Räume und Flure auf die hintere Terrasse und schließlich über das lichterfüllte Treppenhaus hinauf bis auf das Flachdach, wo die Rauchabzüge der vielen Kamine in bunt verkachelten Hauben enden. Das tragende Gerippe des Dachgeschosses erinnert hier an das Innere eines Drachens, im Kopfhörer hört man sein Herz pochen.

Wieder unten angekommen, gibt es noch einen Raum, dessen Wände lückenlos mit LED-Bildschirmen bedeckt sind, und ebenso die Decke und der Fußboden. Die Lichtshow aus typischen Gaudí-Dekoren fesselt zwar, erschlägt einen andererseits aber auch. Und dann sind wir wieder draußen auf der Straße. Was für ein Erlebnis!

Gaudí hat hier in der Altstadt noch weitere Häuser gestaltet, das Navi weist uns den Weg zur Casa Vicens: in den Bus 22 steigen, an der Station Trillo (das spricht sich Tri-jo) wieder aussteigen und ein Stück in die Gasse hinein laufen. Das markante Fliesendekor kennen wir schon vom Park Güell, wenngleich die Architektur hier weniger verspielt ist. Dieser Antoni Gaudí scheint eine besondere Vorliebe für Sammetblumen (Tagetes) gehabt zu haben. Wir begnügen uns mit einigen Blicken auf die seitliche Fassade des Hauses mit ihren schönen Balkonen und wenden uns dann einem neuen Ziel zu, denn das Wetter ist heute gerade recht für einen Besuch des Aussichtshügels Montjuïc.

Um ihn zu erreichen gilt es, mit der Metrolinie L3 zur Station Paral·lel zu fahren, wo man in die Standseilbahn umsteigt. Der Zugang zur Metro befindet sich hier ganz unscheinbar unter einem Wohngebäude, die Standseilbahn wiederum fährt nicht aus eigener Kraft durch den Untergrund, sondern wird am Seil gezogen, wobei die beiden Kabinen einander auf halber Strecke begegnen. Oben ausgestiegen sind wir aber noch nicht auf der Festung, wir müssen erst noch in die moderne Umlaufgondelbahn steigen, die nun allerdings nicht mehr Teil des öffentlichen Nahverkehrs von Barcelona ist, sondern extra bezahlt werden muß. Alternativ könnte man laufen, aber die Füße sind schon strapaziert genug, und es gibt ja auch oben noch ein Wegenetz.

Von der Festung aus hätte man sicher den schönsten Blick auf die Stadt und das Meer, aber es führt auch ein Weg außen um die Festung herum, mit ebenso beeindruckenden Ausblicken, nur eben nicht nach beiden Seiten gleichzeitig. Das macht aber nichts, denn das Meer und der Kreuzfahrthafen reichen ja fürs erste, und die Stadt mit der sich darin erhebenden Sagrada Familia haben wir bereits aus der Gondelperspektive bewundert. Wie werden eigentlich die Container vom Schiff auf die ausgedehnte Lagerfläche und von dort wieder auf Züge, Lastwagen oder andere Schiffe befördert? Die großen Kräne bewegen sich ja nicht? Bei genauem Hinsehen nehmen wir Fahrzeuge wahr, die jeweils eine ganze Stapelreihe zwischen die Räder nehmen können, um an irgendeiner Stelle den jeweils obersten Container aufzunehmen oder abzusetzen. Das zugehörige Platzmanagement wohl muß ziemlich ausgefuchst sein.

Zur Stadtseite hin ist der Ausblick von großen Pinien verstellt, aber wir sehen und bewundern den wie eine Fackel geformten Olympiaturm. Zudem stellt sich allmählich ein gewisser Hunger ein, und in der Nähe des Hotels wissen wir einen türkischen Imbiß. Wir nehmen also den Linienbus dorthin und genießen die Fahrt entlang des Hafens.

Bei dem markanten Gebäude mit der Kuppel, das wir vom Montjuïc aus gesehen hatten, handelt es sich nicht etwa um eine Kirche oder ein Schloss, sondern um den Nationalpalast, der heute ein Museum ist. Es soll dort einige nachts bunt beleuchtete Springbrunnen geben sowie eine Krone aus Lichtstrahlen über der Kuppel. Lohnt es sich, schon in der frühen Dämmerung loszugehen, also in der vielgerühmten Blauen Stunde, wenn sich Tages- und Kunstlicht mischen? Oder lieber noch ein wenig im Zimmer bleiben und die Füße hochlegen?

Plötzlich ist der Strom weg. Nanu? Das Licht auf dem Flur brennt noch. Jetzt im Aufzug zu stecken wäre fatal. Aber im stockdunklen Treppenhaus ja ebenfalls. Es zeigt sich, dass einige Teile des Hotels weiterhin Strom haben. Natürlich, Flure und Treppenhaus sind ja Fluchtwege und werden vermutlich mit Notstrom versorgt. Statt auf die Behebung des Stromausfalls zu warten, machen wir uns einfach jetzt gleich auf den Weg zum Nationalpalast.

Von der Plaza Espagna aus ist das Ziel nicht zu übersehen, wir müssen nur entlang der Prachtstraße darauf zulaufen. Mit zunehmender Dunkelheit wird die Strahlenkrone sichtbar. Wasserspiele gibt es jedoch keine. Vielleicht weiter oben? Wir kommen an eine Rolltreppe, überqueren eine Straße und einen weiten Platz mit einem leider völlig trockenem Brunnen. Noch weiter hinauf? Rolltreppen, Brunnen, mehr Rolltreppen, weitere Brunnen, irgendwann sind wir ganz oben, wo schon viele Leute sitzen. Warten sie etwa alle auf die Brunnenlichtspiele? Oder genießen sie nur den herrlichen Blick über die nächtlich beleuchtete Stadt? Wir warten bis 20 Uhr. Keine Wasserspiele. Wahrscheinlich ist Corona schuld. Oder der bevorstehende Marathonlauf, für den schon überall abgesperrt wird.

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Alberto Durero

Heute ist nun also der Tag, der uns an ein lange erträumtes Ziel bringen soll, nämlich den „Prado” von Madrid: ein Museum, das in unserer Wahrnehmung gleich hinter dem Louvre und dem British Museum rangiert.

Um dieses berühmte Museum zu erreichen, nehmen wir eine Bahnfahrt von mehr als 600 Kilometern auf uns, welche die spanischen AVE-Züge („Alta Velocidad Española”) in etwa zweieinhalb Stunden bewältigen: befahren sie die Strecke doch fast durchgehend mit 300 km/h. Leider müssen die Passagiere als Konsequenz aus den Anschlägen von 2004 eine Sicherheitskontrolle passieren, was die zu investierende Zeit etwas verlängert. Aber selbst unter diesen Bedingungen ist der AVE bzw. seine Lowcost-Version AVLO beeindruckend schnell.

Auf Latein bedeutet das Wort „Ave” Vögel. Ist das der Grund, warum beim Betreten des Abteils Vogelgezwischer zu hören ist? Nein, es ist der Wecker im iPhone, der soeben die normale Zeit des Aufstehens signalisiert. Um die Zeit in Madrid voll auskosten zu können, sind wir nämlich heute schon seit 5 Uhr auf den Beinen. Kaffee und Frühstück gab es in Barcelona Santo nicht. Oder besser gesagt, erst hinter der Sicherheitsschleuse, aber das konnte man ja nicht wissen. Bald schon streift dann das erste Licht des Tages die vorbei huschende spanische Landschaft, und kurz vor halb zehn hält der Zug in Madrid-Atocha.

Vom Bahnhofsgebäude aus sind es nur ein paar Schritte hinüber zum botanischen Garten, an dessen anderem Ende sich der Prado befindet, so weit die Theorie. Tatsächlich kommen wir am Bahnsteig für die Schnellzüge an und müssen erst einmal eine lange Strecke zu Fuß zurücklegen, unterstützt von Laufbändern wie am Flughafen, und gelangen schließlich an einem verkehrsreichen Platz, der so gar nicht nach altem Bahnofsgebäude aussieht, denn das befindet sich ein gutes Stück entfernt von uns und ist längst nicht mehr in Betrieb. Auch der botanische Garten hat von der Bahnhofsseite her keinen Eingang, und am Zaun entlang in Richtung Prado fahren nur Baustellenfahrzeuge. Zu guter Letzt finden wir auch noch dessen markanten Eingang, anders lautenden Wegweisern zum Trotz, verrammelt und verriegelt. Und jetzt? Wir laufen am Gebäude entlang, bis wir an einen Schalter kommen, wo wir unseren Ticketstatus klären und sodann an den Eingang im ersten Stock („upstairs”) verwiesen werden. Sich vor dem Kunstgenuss mit einem Kaffee stärken wäre schön, aber wo ist das Café? Einen Orientierungsflyer gibt es nicht, man könne ihn aber im Internet aufrufen, heißt es. Und das Café befände sich zur Linken im Erdgeschoß. Wie groß unser Erstaunen, als wir dort nicht nur das Gesuchte, sondern auch den normalen Eingangsbereich vorfinden, mit Kassen, Garderobe, Infotheke und Lavabos (Toiletten).

Frisch gestärkt, erwarten uns nun Dutzende von Sälen: wo anfangen, wo aufhören? Wir beginnen im Rubenssaal, von dem weitere Säle abzweigen, die wiederum Nebensäle haben. Was interessiert uns noch? Tizian natürlich. Die Sammlung ist wirklich eindrucksvoll, und vieles springt einem geradezu ins Auge, lädt zu einer Vertiefung anhand der kleinen Schildchen ein, die aber viel zu wenig über Œvre und Epoche aussagen: es ist ja eine Sammlung und keine Ausstellung. Felt noch etwas Wichtiges? Ach ja, Dürer! Draußen war sein Name als Alberto Durero angeschrieben, also frage ich eine der Aufsichten, die mich nach ausgiebigem Blättern schließlich auf den Saal 55A im Erdgeschoss verweist. Und da hängen sie auch schon: Adam und Eva, zur Linken flankiert vom bekannten kleinen Selbstbildnis des Meisters mit schwarzweiß gestreifter Mütze.

Schier erschlagen von der vielen Kunst wenden wir uns nun dem zweiten geplanten Museumsbesuch zu: die Sammlung Thyssen-Bornemisza, bekannt von diversen Leihgaben an deutsche Kunstausstellungen, befindet sich auf der anderen Seite des Platzes in einem markanten roten Backsteinbau. Gleich hinter dem Eingang deuten ein Pfeil nach links und ein freundlich lächelndes Gesicht auf den Ausstellungsbereich „Magritte” hin, jene Sonderausstellung, für die wir ein Zeitfenster gebucht haben. Die Dauerausstellung weiter rechts hinten wiederum erweist sich als umfangreicher als erwartet: oben die Mittelalterkunst, unten die Klassische Moderne mit Corinth, Marc, Macke, Kirchner und all den anderen. Schon recht ermüdet möchten wir aber ja auch noch die Magritte-Ausstellung sehen und folgen der freundlichen Einweisung in den bereits bekannten Zugang, wo uns oben ein Saal mit allerlei Fotos des surrealen Künstlers erwartet. Und das soll nun die Ausstellung sein? Ich frage nach den Bildern und werde auf einen anderen Museumsflügel verwiesen: vom Eingang aus gesehen rechts hinten. Man muß das Museum anscheinend gut kennen, um den Zugang zu dieser Abteilung nicht zu übersehen. Und hier hängen sie nun alle: das Bild mit der Leinwand, auf der die von ihr verdeckte Landschaft zu sehen ist. Vermutlich. Die Pfeife, die laut Bildunterschrift keine Pfeife ist. Die Reiterin, die vor und zugleich hinter den Bäumen ist. Und all die anderen.

Ziemlich ermattet, denn der Tag begann ja sehr früh, laufen wir zum Bahnhof zurück. Wo fährt denn nun eigentlich der Schnellzug ab, bei der Ankunft haben wir keinen Zugang gesehen? Die vergebliche Suche führt uns in das Ticketbüro der Bahngesellschaft Renfe. Aha, im oberen Stockwerk also. Ein Wegweiser wäre schön gewesen. Dieses Mal gehen wir aber bitte zuerst durch die Kontrolle und dann erst ins Café. Leider werden unsere Tickets abgewiesen: wir sind zu früh dran, mehr als 90 Minuten vorab geht nicht. Gut, dann suchen wir uns eben doch etwas im allgemeinen Bahnhofstrakt. Und sehen nun endlich auch, was aus dem schönen alten Bahnhof geworden ist: ein noch schönerer botanischer Garten, mit Palmen dort, wo einst Bahnsteige waren. Aber ein Café gibt es hier nicht, und zwischenzeitlich ist auch das 90-Minuten-Zeitfenster angebrochen. Also doch drinnen.

Der weitere Ablauf gleicht dem am Flughafen, man checkt regelmäßig seine Abfahrttafel, wo irgendwann das Gate und der Aufruf zum Boarding gelistet steht, passiert mit seinem Ticket die Schleuse zum Zug, sucht seine Sitzplatznummer, und ein paar Augenblicke später legt das Schienenflugzeug dann ab: zweieinhalb Stunden braucht es für gute 600 Kilometer.

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